Der Jänner und die Hanse ohne Fähre

Nachdem mindestens Jan und ich mit hoheitlichem Ansporn durch unseren Chairman Rainer das scheidende Jahr 2012 ausgiebig verabschiedet hatten, stehen im Jänner 2013 die ersten MTB-Ausritte für 2013 auf dem Plan. Während ich unter der ersten Woche des Jahres 2013 mit aktiven Morgen- und Abendrunden hatte anschließen können und mir am heutigen 6. Jänner ein Timeout gönne, treten einige Kameraden mit ihren MTBs spritzig durch die Matsche.

Am Sonntag darauf, dem 13. Jänner, erreiche ich die Meute noch in letzter Minute. Während Senior Gerrit schon wieder auf einer der Sonneninseln chillt, führt Jan uns schwungvoll und derben Winden trotzend entlang den Tälern der nordwestlichen Oste. Im Zuge anspruchvoller Exkurse versteht es der windige Rudy seine konditionellen Defizite mit fingierten Pannen zu kaschieren und gönnt allen eine kleine Rast. Dann aber kurbelt unser Oktett auf vollen Touren weiter, bis sich zum Ende unserer Tour Joachim mit dem grünen Daumen zur heimischen Mittagstafel verabschieden muss. Wir übrigen lassen uns nach fast drei Stunden sportiven Rittes in der Markthalle des demokratischen Bäckers nieder zum Genuss aufgebrühter Kaffeebohnen. Dabei schaut der planende Ingo schmachtend dem sahnigen Apfelkuchen des hölzernen Thomas hinterher und kann nicht umhin, selbst ein eigenes Sahnestück nach zu ordern.

Wieder ist eine Woche um: Der 20. Jänner lockt uns mit trockenem Frost und Sonnenschein hinaus mit dem Rade. Dieses Wetterchen macht Stimmung und bringt unsere Gruppe so richtig in Schwung. Flotten Trittes sausen wir über Felder und durch Wälder, an Bächen entlang und finden nur ganz kurz Zeit für einen Fotoschuss am Birkensee: Joachim von der Esse, Gerrit von der Sonneninsel, Thomas von der Raubank, Bernd vom Dynamo, Heiko von der Rhön, Rainer vom Tunnel und Joachim vom Glashaus.

Schnell hat sich das Rad von Mutter Erde wieder siebenmal um ihre polare Nabe gedreht und wir schreiben den 27. Jänner 2013. Gerrit ist von der Sonneninsel zurückgekehrt in unseren frostigen Norden. Die Luft ist heute bereits milder, aber aus dem Boden ist der Frost noch keineswegs entwichen. Wir ziehen hart über die harten Böden, über Seedorf hinaus nach Granstedt. Die Erinnerung an die stürmische, eisige Tour, die uns im letzten Winter hierher führte, lässt einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Doch so schlimm ist es heute keinesfalls. Wir werden zwar nicht von der Sonne verwöhnt, aber die milde Luft sorgt für einen genialen Funfaktor bei ausgiebigen Ritten über frostigen Pfade im Moor. Über mehr als sieben Brücken und sieben Hügel sind der hustende Hermann, der blühende Joachim, der hölzerne Thomas mit mir dem fliegenden Holländer gefolgt und erreichen danach wunderbar gestählt unser Vereinheim.

Als ich am Montag darauf  noch einen ausgiebigen philosophischen Morgenritt mit dem MTB trete, ahne ich nicht, dass ich schon am Dienstag die Roadbike-Saison 2013 eröffnen kann. Nach der Woche auf den schmalen Felgen komme ich auch am Sonntag, dem 3. Februar anno 2013 nicht umhin, meinen stählernen Winterrenner an den Start zu bringen. Just als ich dort einrolle, startet Gerrit zu neuen Abenteuern auf dem MTB. Ihm folgen Dirk, Heiko, Ingo, Joachim mit dem grünen Daumen und der hölzerne Thomas in den sonnigen Morgen. Die heutige Route führt das Sextett in nahezu frühlingshafter Stimmung hinaus und sorgt mit kurzen Tragepassagen über die Bade für viel Abwechselung. Zuvor ist am Vereinsheim bereits Chairman Rainer zu seiner persönlichen ersten Roadbike-Runde anno 2013 aufgebrochen und wird dies very smoothly tun. Erstmals in diesem Jahr bin ich ausgerüstet mit einer Trinkflasche am Vorderrohr und bewaffnet mit einem GPS am Lenker. Mein windunterstützter Ritt treibt mich über die Geest ins Alte Land. Meine Absicht einer fährgestützten Elbquerung scheitert jedoch am wochenendservicefreien Winterfahrplan der Altes Land II auf der Route Lühe-Schulau. Dafür kann ich aber meine vitalen Akkus mit ersten kräftigen Sonnenstrahlen betanken und nehme pedalierte Fahrt nach Cranz auf. Der runde Tritt gibt mir weiteren Schwung, der mich unbeirrt über die neue Finkenwerder-Piste fliegen lässt. In meinem Schwung mag ich nicht einmal erahnen, welch ein riesiger Trottel an dieser optimal geglätteten Piste bereits eine vollständige Beschilderung für Sonderfahrstreifen hat vornehmen lassen, während dort wo die Schilder schon einen Radweg ausweisen, bisher nur Drain-Schotter liegt oder sich von Baufahrzeugspuren tief gefurchter Sand befindet. Herr Ramsauer möge diesen Trottel doch bitte ganz weit von jeder Verkehrsplanung fernhalten und auf eine blanke Sattelstütze setzen. Nach einem kleinen Schlenker um den Balinkai rolle ich sodann über die Katwykbrücke und den Ellerholzdamm zum König-der-Löwen. Nach Unterquerung der Elbe im St.-Pauli-Elbtunnel trete ich sogleich wieder los über die Breite Straße, die Elbchaussee und die Blankeneser Landstraße zum Fähranleger in Wedel. Nun, wo ich da angekommen bin, wo mich die Fähre hätte hintragen sollen, kann ich meine kleine Tour wie geplant vollenden. Es geht also nochmals über Blankenese, doch diesmal am Ende der Elbchaussee dem Wegweiser nach Altona folgend in die Königstraße, die sodann in die Reeperbahn übergeht. Nach einem obligatorischen Stopp am Panoptikum steige ich wieder in die Pedale, schwenke in die Glacischaussee und vernehme in einer für diese Stadt untypischen Stille ganz deutlich das Tosen im Millerntor-Stadion. Über den Gorch-Fock-Wall und Esplanade gelange ich an den Neuen Jungfernstieg. Auf einen Kaffee am Jungfernstieg verzichte ich dank der abschreckenden Beschilderung des Lokalzauns sehr gerne und begebe mich sofort auf den Rathausmarkt. Viertel nach Drei zeigt die Turmuhr, als ich mich wieder aufmache und entlang der Handelsbörse über den Alten Wall und den Rödingsmarkt zu den St.-Pauli-Landungsbrücken trete. Der Wind bläst hier kräftig und fürchterlich kalt. Das einzige Kaffeeangebot gibt es einem Kiosk, der direkt im Wind steht. „Nee, dat is nix!“, denke ich so bei mir und fahre nun gleich zum Tunneleingang. Fahrstuhl runter, Tunnel lang, Fahrstuhl rauf und Abfahrt über das Kopfsteinpflaster. Nach drei kleinen Kurskorrekturen erreiche ich dann auch wieder zügig die Katwykbrücke, um die Süderelbe zu queren. Als ich in den Moorburger Elbdeich einbiege, ist der Südwest nicht nur arg stürmisch geworden, sondern er entlädt auch eine nasse Fracht. Bis Brakenburg ist das noch erträglich, doch als ich auf den Francoper Hinterdeich einbiege kommt die nasse Sturmsuppe volle Kanne herunter. Schutz ist hier in den Obstplantagen Fehlanzeige. Also: Treten, Treten und nochmals Treten. Nass bis auf die Knochen bin ich, als ich Rübke erreiche und es stürmt und schüttet volles Rohr weiter. So trete ich weiter gegen den Sturm und den Regen und erreiche die blaue Tanke in Buxtehude an der Apensener Straße klappernd wie ein Schneider. Erst nach fünf Bechern Kaffee, zwei Tafeln Schokolade und einer Tüte Kartoffelchips ist der Kopf wieder klar und sind die Beine bereit, den Rest zu nehmen. Inzwischen ist es zappenduster geworden und so richtig trocken keinesfalls. Der nasse Wind fegt schon laufend durch die Automatiktür in die kleine Tanke hinein, aber nun muss ich da durch. Wieder auf dem Rad sind es keine fünfzig Meter die ich gefahren bin, als der starke Regen durch das Treiben von Frau Holle ersetzt wird. Die Flocken sind so groß und zahlreich, dass binnen Sekunden alles weiß ist. Es ist nur gut, dass der Boden nicht gefroren ist und die Sliks der schmalen Felgen somit noch ein klein wenig Halt auf der Straße finden können. Als ich aus dem Licht der kleinen Stadt herausfahre stellt sich neben der Sichtbehinderung durch den fallenden Schnee indes ein schwerwiegendes Problem ein. Dieser Schnee ist äußerst klebrig und setzt permanent meinen Scheinwerfer und meine Brille zu. Immer wieder muss ich beide frei wischen, um nicht neben der Straße oder im Gegenverkehr zu landen. In diesem ungestümen Schneetreiben erreiche ich Apensen. Auf der Buxtehuder Straße kollidiere ich beinahe mit einem unbeleuchteten PKW, der dort mitten auf der Fahrbahn parkt. Nach Harselah überlege ich kurz, ob ich gleich noch einen Regenerationsschlenker zur Tanke in Ahlerstedt nehmen soll oder nicht. Ich entschließe mich dagegen und bin mir beim Erreichen von Wangersen sicher, dass dies die richtige Entscheidung war. Doch aus dem Ort heraus und nach Steddorf erneut ist der Sturm so heftig, dass er mir fast den Atem raubt. Vielleicht ist es aber auch nur meine Erschöpfung und ich pfeife einfach nur noch aus dem letzten Loch. In Heeslingen angekommen hat Frau Holle dann aber ein Nachsehen mit mir und schüttelt nur noch kleine Flocken in den Sturm. Ich erreiche meine Haustür endlos bibbernd, aber bin heil froh, dass ich meinen frühen Ausritt trotz gewisser Widrigkeiten gemeistert habe. 207 Kilometer sind gefressen – Bon Courage!