Zeitfahren Hamburg-Berlin 275 km – Giving Up is No Option

Es ist kurz vor 6 Uhr, als ich am Altengammer Hauptdeich eintreffe. Auf dem Deich trotzt ein kleiner Pavillon dem kräftigen Nordost. Beim Empfang meiner Startnummer treffe ich Ludger und Knut. So begebe ich mich zum Frühstück ins Fährhaus. Nach und nach treffe ich auf all die bekannten Gesichter, Burkhard, MiNagel, die Kieler Sprotte, Ralf u.v.a. Nach drei leckeren Brötchen trifft nun Heiko ein. Damit er in Ruhe frühstücken kann, hole ich nun auch seine Startnummer ab. Draußen treffe ich auf  Uwe und Anneke, die in einer inzwischen längeren Schlange im kräftigen Wind anstehen, der zu dieser Zeit eigentlich immer aus West-Südwest kommt. Die ersten Fahrer sind bereits auf der Strecke als ich unser besonderes Gefährt aus dem Wagen hole. Nicht irgendein Fahrrad, denn es hat sogar einen Namen, „Robert!

Vor genau einer Woche wurde Robert zum ersten Mal von seinen Piloten gefahren. Robert ist etwas länger, ein Rad für zwei Radler. Arvid hatte ein 28er ATB-Tandem, Raleigh Coupe im Angebot. Christian hat ihn für uns zum Racer umgeschmiedet. Unsere Jungfernfahrt am letzten Samstag machte Heiko und mir viel Mut. Während der Vereinstrainingsrunde am Sonntag erkannten wir jedoch, dass noch so einiges Fine-Tuning erforderlich ist – doch dafür war es jetzt zu spät!

Geschmückt mit den Bannern von fahr-Rad-profi und HANSA Landhandel starten wir unseren Robert um 7.15 Uhr, bei Dunkelheit und treten noch auf dem Deich an einem vierköpfigen Team vorbei. Wir sind so voller Schwung, dass wir fast die Elbbrücke verpassen, die von Geesthacht über die Schleusen führt. Unser Robert zeigt sich zwar träge beim Abbiegen, auf Unebenheiten und in Anstiegen, doch auf den langen Geraden ziehen wir an so manchen Einzelkämpfern und Teams vorbei. Robert kommt nun so richtig in Fahrt und Höhe Neu Darchau hängen sogar 15 Räder in unserem Windschatten. Danach werden die Anstiege bei Hitzacker zu einer wahren Herausforderung.  Der erste Climb ist hart, doch auch wenn ein paar Einzelfahrer vorbei ziehen, nehmen wir ihn souverän. Die letzten Anstiege können wir Dank gleitender  Anläufe mit Bravour nehmen. Satte 75 km/h machen Robert zur Rakete, die aus der Talkehre wieder hinauf sausen kann. Die Zufahrt zur ersten und einzigen Kontrolle schließt mit der Querung der Elbe  zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bei Dömitz nach 95 Kilometern. Wir erreichen das Etappenziel nach 2 h 58 min und sind froh, dass Petrus in diesem Jahr die himmlischen Schotten geschlossen hält. Zwei Kaffee, zwei Brötchen und Robert rollt weiter. Wir halten weiter Druck auf unserem Kessel und nehmen die folgenden 55 Kilometer trotz Kopfsteinpflasterpassagen und teils starkem Gegenwind ohne zunächst erkennbare Einbußen. Unseren Windschatten haben so manche Fahrer auszunutzen gewusst, aber selbst können wir nicht den Windschatten von Einzelrädern nutzen (das ist wegen verlängerter Bremswege viel zu gefährlich). Fortan plagt uns weiter der Wind und unser Tempo fällt immer weiter. Sowohl Treten, als auch Sitzen werden dabei zur Qual und wir legen kleine Stopps ein. Da wir insgesamt aber viel besser in der Zeit sind als im Vorjahr, heißt es „Giving Up is No Option!“

Bei Kilometer 195 legen wir in einem Dorfgasthof eine wärmende Kaffeepause mit leckerem Kuchen ein.

Alle Zweifel sind ausgeräumt und wir pumpen weiter vorbei an Friesack und stoßen entlang der B5 vor Nauen wieder mehrmals auf Mitstreiter. Der Radweg ab Nauen (ab dort Kraftfahrstraße) ist immer noch radfahrerunfreundlich und stellt besonders unser Gefährt vor größere Schwierigkeiten (Wendekreis, Bodenfreiheit). Die häufigen Radwegunterbrechungen bescheren uns auf einem Kopfsteinpflaster Höhe Havelpark einen Speichenbruch und Plattfuss. Die Reparatur gestaltet sich schwierig, da die inzwischen auf 4 Grad abgesunkenen Temperaturen und der eingesetzte Nieselregen meine blanken Finger erstarren lassen und die Reifenheber der Reihe nach abbrechen. Wir erreichen den Wannsee (das Ziel!) nach genau 11:30 h, erschöpft, aber gesund und zufrieden! Hier erfahren wir, dass genau eine Minute nach uns ein weiteres Tandem an den Start gegangen ist. Die Berliner Ralf und Phelim belegen mit „Berlin Crawling Team“ nach 13:12 h den 2. Platz.

bonne route et bon courage